Repression macht nicht satt

Liebe Unterstützer*innen,
es ist soweit: am Donnerstag, 25. Januar ist die Polizeiverordnung inklusive Bettelverbot für Kinder/mit Kindern im Stadtrat zur Abstimmung. Die Sitzung beginnt um 16 Uhr.
***Wir treffen uns ab 15.30 Uhr, um unsere Petition zu übergeben. Kommt gerne dazu!***
Die Verordnung wird voraussichtlich erst zu späterer Stunde verhandelt. Es lohnt sich also, auch gegen Abend noch zur Stadtratssitzung dazu zu kommen.
Lest außerdem hier: Rückblick und Pressemitteilung der BettelLobby

Rückblick:
Der Jugendhilfe-Ausschuss hat sich gegen ein Verbot ausgesprochen. Außerdem ist der Ausschuss dagegen, das Betteln von Kindern als „Störung“ zu bezeichnen.
Der Verwaltungsausschuss stimmte trotz aller Argumente und der bekannten Kritik für das Verbot, mit den Stimmen von SPD, CDU, FPD und AfD. Die CDU machte dabei mit rassistischen Vorstellungen von Kulturkreisen auf sich aufmerksam. Die Kritik daran zum Nachlesen.

Wir bleiben dabei: Ein Bettelverbot hilft Kindern und Eltern nicht, sondern dient der Stadtkosmetik! Die Eltern und die Kinder werden kriminalisiert und verdrängt. Eine sehr einfache aber effektivere Maßnahme wäre die Einrichtung von Hot-Spot Meldeadressen, so dass Kinder von bettelnden Menschen Zugang zu Betreuung und Bildung bekommen.
Armut bekämpfen, nicht Arme!

Pressemitteilung der BettelLobby vom 23. Januar

Das Bettelverbot ist unsozial!

Am Donnerstag, 25. Januar entscheidet der Dresdner Stadtrat über die neue Polizeiverordnung und somit darüber, ob das Betteln von und mit Kindern verboten wird. Die BettelLobby lädt für 15.30 Uhr vor das Rathaus (Goldene Pforte) ein. Wir wollen dort unsere Petition „Armut bekämpfen, nicht Arme! Gegen ein Bettelverbot in Dresden“ und die gesammelten Unterschriften an den Stadtrat übergeben. (Petitionstext) Auch bei einer Umfrage der SPD-Fraktion auf ihrer Website stimmten 85 Prozent der Teilnehmenden gegen das Bettelverbot (Stand 23.01.2018, 19 Uhr).

Bereits am heutigen Dienstag hat die BettelLobby folgende Stellungnahme der SPD-Fraktion übergeben:

Betteln ist ein Menschenrecht

In Österreich hat das Verfassungsgericht das Betteln zur freien Meinungsäußerung erklärt. Es gilt die Freiheit zu verteidigen, auf die eigene Not hinweisen zu können: „Ich bin arm und brauche Eure Hilfe!“ Betteln ist vor allem Ausdruck der akuten Not existenzbedrohter Menschen. Ihnen fehlt es an Obdach, Nahrung und Sicherheit. Eine soziale Politik setzt hier an. Ein Verbot macht nicht satt, schafft keine Wärme und bietet keinen Schutz. Eine auf Verboten setzende Ordnungspolitik bietet hier keine zusätzliche Sicherheit, weder für die bettelnden Menschen, noch für die, die ihnen im Alltag begegnen.

Auch Kindern wird mit einem Bettelverbot nicht geholfen, denn sie werden verdrängt, unsichtbar gemacht und schlimmstenfalls in die Kriminalität gedrängt. Statt Verboten sollte es darum gehen, das Recht auf Bildung für diese Kinder zu ermöglichen. Der SPD stünde es gut zu Gesicht hier anzusetzen und nicht die Arbeit derer zu übernehmen, die soziale Probleme schon immer repressiv und menschenfeindlich behandelten. Man kann soziale Probleme weder verdrängen noch wegsperren, sie müssen gelöst werden.

Armut ist keine Frage der Kultur

Die Unterstellung der CDU, es gäbe Menschen, die ihre Kinder aufgrund eines kulturellen Hintergrundes zum Betteln schicken, ist bösartig und rassistisch (Hintergrund). Wer Armut wie die CDU zu einer Sache der Kultur erklärt, phantasiert Menschen herbei, die es kulturell lebenswert finden, sich der Straße und dem Betteln auszuliefern. Es gibt in Dresden Privatschulen, Golfplätze, Villen, die Semperoper, es gibt in Dresden Obdachlosigkeit, Hartz4, Wohnungsnot und Menschen, die sich über die Tafel ernähren müssen. Es gibt arm und reich und keine Kulturkreise.

Unter den Armen in Dresden finden sich auch Migrant*innen aus Ost- und Südosteuropa – sie sind Bauarbeiter*innen, medizinisches Personal und ungelernte Niedriglohnabhängige. Manche von ihnen gehören der Minderheit der Roma an. Viele finden wir auf Baustellen, einige auf der Straße. Sie sind Opfer der Transformation in Ost- und Südosteuropa. Sie waren die ersten, die ihre Arbeit nach 1989 verloren haben. Sie bekommen dort Bezüge, die nicht zum Leben reichen. Sie kommen hierher in die prosperierende deutsche Gesellschaft, um einen Miniteil des gesellschaftlichen Reichtums in ihrer Hand zu finden.

Wenn Sie diese Menschen zu Schmarotzern und schlechten Eltern stigmatisieren, schüren Sie ein ungebrochenens Ressentiment. Sie sind die Verlierer einer Ökonomie, die keine Menschenrechte kennt. Es wird so getan, als ob sogenannte „Roma-Banden“ sich an der Großherzigkeit und Naivität der Dresdner*innen bereichern wollen. Dabei ist das Betteln die letzte Chance in einer ausweglosen Situation und kein lukratives Geschäft – es ist die Ausgeliefertheit im unsozialen Status Quo.

Kindswohlgefährdung ja – Missbrauch nein

Wir können dem SPD-Stadtrat Christian Bösl nur beipflichten, wenn er sagt: “Für uns steht das Kindeswohl an alleroberster Stelle. Kinder gehören in die Kita, in die Schule, ins Kinderzimmer oder auf den Spielplatz, sie gehören definitiv nicht frierend und bettelnd in die Prager Straße.” Allerdings scheinen Herr Bösl und der Ausschuss für Ordnung und Sicherheit über die Zugänge für EU-Bürger*innen zu Wohnen und Bildung in unserer Gesellschaft nur unzureichend informiert zu sein. Voraussetzung für die Anmeldung von Kindern in der Kita und Schule ist eine örtliche Meldeadresse. Obdachlose Familien haben per definitionem keine Meldeadresse und können daher ihre Kinder nicht in den Schulen und Kitas anmelden. Sie haben kein Zuhause, in dem ihre Kinder aufgehoben sind, sondern nächtigen in Autos, Wohnungslosenunterkünften oder im Freien. Sie stoßen auf einen überteuerten und rassistischen Wohnungsmarkt. Sind sie arbeitslos und ist ihnen der Zugang zum deutschen Sozialsystem versagt, bleibt ihnen nur das Betteln. Wo sollen sie ihre Kinder in dieser Zeit lassen?

Darum müssen wir SPD-Stadtrat Christian Avenarius widersprechen, wenn er sagt: “Wenn Kindern von ihren Eltern zum Betteln angehalten werden, ist dies eine Art von Missbrauch. Wir dürfen davor nicht wegschauen. Deswegen ist das Bettelverbot für Kinder notwendig.” Ein Bettelverbot mit Kindern verunmöglicht einen kindgerechten Alltag noch mehr. Die Eltern und die Kinder werden kriminalisiert und werden vertrieben. Die Kinder blieben alleine in unsicheren „Unterkünften“ zurück. Eine sehr einfache aber effektivere Maßnahme wäre die Einrichtung von Hot-Spot Meldeadressen, so dass Kinder von bettelnden Menschen Zugänge zu kindgerechten Einrichtungen der Bildung bekommen.

Es handelt sich bei den hier beanstandeten mit ihren Eltern bettelnden Kindern konkret um wenige Familien aus Ost- und Südosteuropa. Es liegt nach Aussage des Jugendamts keine Kindswohlgefährdung vor. Strukturell sind diese Kinder unendlich benachteiligt. Sie sind obdachlos und können hier nicht zur Schule. Ihre Eltern tragen aber Sorge für sie. Nicht die Eltern sind das Problem, sondern ein gegenüber Armen rücksichtsloser Stadtrat.

Der Armut hier mit sicherheitspolitischem Populismus zu begegnen ist zu einfach. Das tun AfD, FDP und auch CDU mehr als genug. Die SPD muss nicht Teil dieser rechten Law&Order-Koalition sein. Die Menschenverachtung hat genug Stimmen in dieser Stadt.

Wir als BettelLobby konnten für unsere Petition gegen das Bettelverbot prominente Stimmen aus Dresden als Erstzeichner*innen gewinnen, darunter Expert*innen aus Beratungsstellen und sozialer Arbeit sowie wissenschaftliche Expert*innen zum Thema Rassismus und Antiromaismus. Wir fordern den Stadtrat auf, den vielen Stimmen aus Wissenschaft, Sozialarbeit und Zivilgesellschaft Gehör zu schenken und am Donnerstag gegen das Bettelverbot zu stimmen.

Petitionsübergabe und Auftritt des Chores der BettelLobby Donnerstag, 25. Januar um 15.30 Uhr Rathaus (Goldene Pforte), Dr. Külz Ring