critique’n’act ab jetzt in »…umsGanze!«

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Et voilà: Wir haben zusammen mit den Gruppen e*vibes, AusserKontrolle und Undogmatische Radikale Antifa critique‘n’act gegründet.

In dieser gruppenübergreifenden Föderation wollen wir linksradikale Akteur*innen in Dresden verbindlicher zusammenbringen. Für die Organisierung in einem bundesweiten Zusammenhang sind wir außerdem gemeinsam dem Bündnis »…umsGanze!« beigetreten. »…umsGanze!« wurde Ende 2006 gegründet, um linksradikale Gesellschaftskritik überregional zu organisieren und handlungsfähig zu machen. Wir wollen Teil dieses Bündnisses sein, um unsere lokalen Bezüge auch in bundesweiten Strukturen zu diskutieren und gerade in der aktuellen Situation direkter auf solidarische Verstärkung zurückgreifen zu können.

Am 10.12. um 20 Uhr werden wir critique‘n’act im Rahmen einer Podiumsveranstaltung vorstellen.

Unsere Beitrittserklärung:

Das »…umsGanze!« Bündnis ist ein kommunistisches Bündnis. Und auch wenn sich viele von uns nicht als Kommunist*innen verstehen, teilen wir mit den in »uG« organisierten Gruppen die radikale Ablehnung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse. Ebenso verbindet uns die Auseinandersetzung mit der Kritik an der deutschen Vorherrschaft in Vergangenheit und Gegenwart, sowie am Antisemitismus. Diese Kritik umfasst auch die Tatsache, dass bisherige kommunistische oder realsozialistische Versuche, die Gesellschaft grundlegend umzugestalten – sofern sie nicht niedergeschlagen wurden – in autoritären Systemen mündeten: 60 Jahre realexistierender Staatssozialismus haben dafür gesorgt, dass emanzipatorische Alternativen zum Kapitalismus in Ostdeutschland nicht gerade hoch im Kurs stehen. Wir sind der Ansicht, dass es in der radikalen Linken eine tiefere Analyse und Auseinandersetzung mit der Idee und den Verwirklichungsversuchen des Kommunismus braucht, die über eine simple Kritik an „Stalin und dem Realsozialismus“ hinaus gehen muss. Wir haben mit einer solchen Auseinandersetzung begonnen und werden sie fortsetzen, denn die Kritik am Kommunismus sollten wir nicht den Antikommunist*innen überlassen. Um den Zynismus und die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Systems wissen wir. Und: wir müssen über konkrete Utopien und Praxen zur Überwindung des Kapitalismus diskutieren. Trotzdem die Idee des Kommunismus enorm beschädigt ist, können wir uns mit dem postulierten Ende der Geschichte nicht abfinden. Das Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen mit ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten Platz finden.

Die Auseinandersetzung mit materialistischem Feminismus bildet für uns eine wichtige Grundlage des Verständnisses von Gesellschaft und den Ausgangspunkt emanzipatorischen Handelns. Sie macht unter anderem klar: die Veränderung gesellschaftlicher Zustände funktioniert nicht ohne die Bewusstwerdung und aktive Kritik an der immer noch geschlechtlich orientierten Trennung zwischen Produktions- und Reproduktionssphäre, welche die Grundlage kapitalistischer Verwertung darstellt. Der Abwertung alles als „weiblich“ imaginierten, der Diskriminierung queerer Identitäten und alternativer Konzepte des Zusammenlebens stellen wir uns entgegen. Feminismus funktioniert nicht als „Anhängsel“ antiautoritär-kommunistischer Kapitalismuskritik, sondern stellt eine tragende Säule eben dieser Kritik dar. Auch wir sind Teil dieser Gesellschaft und müssen uns daher mit Strukturen von Herrschaft und Macht innerhalb unseres politischen Organisationsrahmens auseinandersetzen. Praktisch wird das beispielsweise, wenn es um die Frage geht wie viele Frauen* in unserer Föderation oder im Bündnis »…umsGanze!« organisiert sind, welche Aufgaben von wem übernommen werden, wie Verantwortung verteilt ist und wie wir miteinander kommunizieren. Dass wir von gesellschaftlichen Zuständen geprägt sind, steht außer Frage. Dass wir uns selbst reflektieren und Wege finden mit Herrschaftsverhältnissen umzugehen, sehen wir als Grundvoraussetzung eines gleichberechtigten Umgangs miteinander an. Mit der Mobilisierung zum Frauen*kampftag am 8. März in Berlin und gegen die christlichen Fundamentalist*innen des Marsches für das Leben hat sich das »…umsGanze!« Bündnis den Kämpfen gegen das antifeministische, homophobe roll-back wertkonservativer Kräfte angeschlossen, welche die weiße, heterosexuelle Kleinfamilie als „Keimzelle der Nation“ gegen alle anderen Lebensrealitäten in Stellung bringt.

Wir befinden uns in einer globalen Krise des Kapitalismus. Diese Krise hat für eine enorme Delegitimierung des kapitalistischen Systems gesorgt – so viel Kapitalismuskritik wie heute gab es lange nicht mehr. Umso härter wird gegen Abweichler*innen vorgegangen, die es wagen aus der neoliberalen Reihe zu tanzen. Einer unserer Schwerpunkte liegt auf der Krise des Kapitalismus, des rassistischen Populismus, der brutalen Rolle Deutschlands als Krisengewinner, Erzwinger der europäischen Austeritätspolitik und der damit einhergehenden Verarmung. Im Zuge der Wiedervereinigung und der zunehmenden Historisierung des Nationalsozialismus nimmt Deutschland wieder eine dominierende Position ein. Die deutsche Niedriglohnpolitik und die damit direkt verbundene Exportweltmeisterschaft hat die Arbeitsmärkte anderer EU-Länder destabilisiert. Das deutsche Modell, „den Standort” auf Kosten der Lohnabhängigen wettbewerbsfähig zu machen, wird inzwischen in der gesamten EU umgesetzt. Gestärkt durch den Gewinn aus der Krise sieht sich Deutschland auch wieder in einer Rolle, in der es als Großmacht agiert und vermehrt militärische Operationen lanciert.

Seit dem Sommer 2015 inszeniert sich Deutschland als Willkommensweltmeister gegenüber den Geflüchteten; die Hilfsbereitschaft antirassistischer Willkommensinitiativen wird prompt genutzt, um dem politischen Führungsanspruch in Europa eine moralische Lackierung zu verpassen. Doch Antirassismus ist mehr als „Refugees Welcome“. Geflüchtete stehen auf gegen ihre Diskriminierung in Deutschland, die rassistische EU-Außenpolitik und die Zerstörung ihrer Herkunftsländer. An diesen Kämpfen beteiligen wir uns. Wir unterstützen die Kämpfe von Refugees in Dresden genauso wie politische Rom_nja-Selbstorganisierungen.

Seit einem Jahr demonstriert Pegida wöchentlich durch die Dresdner Innenstadt, macht sie zum einen in diesen Stunden zur no-go-area für Menschen, die als nicht deutsch und/oder als politische Gegner*innen ausgemacht werden und fungiert zum anderen als Stichwortgeberin für »Nein zum Heim-Initiativen«. Aufgebrachte Anwohner*innen versammeln sich vor Unterkünften für Geflüchtete oder sorgen mit Blockaden dafür, dass diese nicht bezogen werden können. Brandanschläge und tägliche rassistische Angriffe sind die direkte Folge von Pegida. Dort sammeln sich alle, die sich mit den autoritären Ideen vom „Kollektiv des deutschen Volkes“ identifizieren, nicht zuletzt indem sie alles „Kollektivfremde“ rassistisch abwerten. Die verwirrten und rassistisch motivierten Individuen gehen im enthemmten Kollektiv auf. Sie sind nicht mehr zugänglich für Fakten oder Argumente, sondern ausschließlich für die allmontäglich vom Lautsprecherwagen gebellten Verschwörungen und Hetztiraden. Jegliche Empathie ist ihnen abhanden gekommen. Stattdessen demonstrieren sie für noch mehr Armut, Ausgrenzung und Abschottung. 25 Jahre CDU-Alleinherrschaft, zehn Jahre NPD im Landtag, die AfD, die neue Wähler*innenschichten erschließt, Pegida auf der Straße sowie rechter Terror gegen Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen – das sind die aktuellen Zustände in Sachsen. Dagegen braucht es Organisierung! In Dresden, in Sachsen, aber auch darüber hinaus.

Derzeit wird der Ruf nach starken, souveränen Nationen nicht nur von rechts immer lauter. Der nationalistische roll back wird auch von vermeintlichen Linken gefordert. Dabei ist der Nationalstaat als Garant für begrenzten Wohlstand von den Entwicklungen des globalisierten, neoliberalen Kapitalismus längst überholt (was alle bisherigen Versuche zur Rückkehr zum fordistischen Kapitalismus zeigen). Außerdem ignorieren die nationalistischen „Linken“, dass es sich bei der Nation um ein Herrschafts- und Ausgrenzungskonstrukt handelt, das stets bemüht ist, die Kosten seiner Entwicklung auf andere, zumeist Länder der Peripherie abzuwälzen. Weil wir also jeglichen Nationalismus ablehnen, ist es für uns unerlässlich transnational zu kämpfen. Dabei gilt es, aus den Fehlern vergangener Ansätze zu lernen. Globale Solidarität und Aktivismus lassen sich nicht auf dem Reißbrett entwerfen, sondern können nur als stetiger Austausch und reflektierte Praxis gelingen. Die antiautoritäre Plattform „beyond europe“ ist für uns eine Möglichkeit das in die Tat umzusetzen.

Wir haben uns entschlossen, eine Föderation zu gründen, denn die Antwort auf die Dresdner Zustände kann keine einfache „Gegen Nazis“-Strategie sein: Ökonomische, politische und soziale Ursachen der aktuellen regressiven Welle dürfen nicht ausgeklammert werden.

Wir wollen die thematischen und praktischen Schwerpunkte unserer lokalen Gruppen zusammenführen und gemeinsam Kritik an den herrschenden Verhältnissen üben, solidarische Alternativen aufzeigen und diese auf praktische Wege bringen.

Damit Kaltland keine Ewigkeit wird!

critique‘n’act — für ein schönes Leben in einer solidarischen Gesellschaft!

Because it’s „…all or nothing!“ in Dresden, too

We, the groups e*vibes, ausserkontrolle, Undogmatische Radikale Antifa and gruppe polar, have founded critique’n’act. In this federation across our groups, we aim at bringing together actors of the radical left in Dresden more liably. On top of that, we have joined the alliance „…umsGanze!“ [„…all or nothing!“] aiming at organizing on the supra-regional level. »…umsGanze!« was founded in 2006 in order to organize radical left critique of society supra-regionally and to enable it to act. We want to be part of this alliance so we can discuss our local relations in countrywide structures and draw on solidary support in the current situation.

»…umsGanze!« is a communist alliance. And even though many of us do not consider themselves as communists, we share the radical rejection of capitalist power relations with the groups of „uG“. We also have in common the involvement in the critique of the German supremacy in past and present, as well as of antisemitism. This critique includes the fact that past communist or real socialist attempts to radically transform society — if they were not defeated — resulted in authoritarian systems: 60 years of actually existing state socialism made sure that emancipatory alternatives are not exactly popular in Eastern Germany. To us, the radical left needs a deeper analysis and involvement with the idea of and the attempts to realize communism beyond the scope of „Stalin and real socialism“. We have started this engagement and are pursuing it because we should not leave the critique of communism to the anti-communists. We are aware of the cynicism and inhumanty of capitalism. And: we must discuss concrete utopias and practices to overcome capitalism. Although the idea of communism is gravely damaged, we are not ready to come to terms with the postulated end of history. The objective is a society where everyone can find their place according to their needs and potentialities.

The engagement with materialist feminism forms an important basis for our understanding of society and a starting point for emancipatory acting. It brings to mind: changing societal relations does not work without the consciousness and active critique of the still gendered separation of the spheres of production and reproduction, which form the basis of capitalist valorization. We oppose the depreciation of the imagined „femininity“ as well as the discrimination of queer identities and of alternative concepts of living together. So, feminism does not work as the afterthought of an anti-authoritarian communist critique of capitalism but it is a mainstay of this very critique. We, too, are part of this society and have to face up to structures of power and domination in our political organization. This turns practical, for example, when it comes to the questions of how many women* are part of our federation or of »…umsGanze!«, who takes over which tasks, how responsibility is shared and how we communicate with each other. It is beyond debate that we are shaped by the societal conditions. So we see self-reflection and ways to deal with power relations as the basics of equal interaction between us. By mobilizing against the corporation ball in Vienna, to the Women*’s Day demonstration on March 8th and against the Christian Fundamentalists of the March for Life, the »…umsGanze!« alliance has joined the fights against the social conservatives’ antifeminist, homophobic roll back, who bring the heterosexual white nuclear family into position against any other facts of life.

We are situated in a global crisis of capitalism. This crisis has lead to a huge delegitimization of the capitalist system — for a long time there has not been as much critique of capitalism as today. In turn, who dares to step out of the neoliberal line is punished all the more. The capitalist crisis, racist populism, the brutal roll of Germany profiteering of the crisis and constraining European politics of austerity, and the accompanying impoverishment is one of our fields of attention. In the course of the reunification and the increasing historicization of National Socialism, Germany is once more occupying a dominant position. The German politics of low wages and the directly connected export world championship have destabilized the labor markets of other EU countries. The whole EU is now implementing the German model, making the business location competitive at the wage earners’ expenses. Invigorated by the profit of the crisis, Germany enjoys itself in the role of a major power and increasingly manages military operations.

Since summer 2015 Germany has been making itself out to be the world champion of welcoming refugees; the readiness to help of antiracist welcoming initiatives is promptly used to morally legitimate the political claim to German leadership in Europe. However, antiracism is more than „refugees welcome“. Refugees rise against their discrimination in Germany, the racist EU foreign policies and the destruction of their homes. We take part in these fights. We support the struggles of refugees in Dresden as well as political Roma self-organizations.

For one year Pegida has been demonstrating through the city center in Dresden, constituting a no-go area for people, who are seen as non-German and/or as political opponents, and giving „No to Asylum Homes“ initiatives the cue. Upset neighbors come together in front of accommodations for refugees or prevent them from moving in through blockades. Arson attacks and racist assaults are the direct consequence of Pegida. There, all those assemble, who identify with the authoritarian ideas of the „collective of the German people“, not least by racist degradation of everything excluded from the collective. The confused and racist motivated individuals are merged in the unrestrained collective. They are not amenable to facts and arguments at all, but solely to the conspiracies and tirades of hate that are bellowed from the loudspeaker car each Monday. They have lost empathy of any kind. Instead they demonstrate for more and more poverty, exclusion and isolation. 25 years of Christian Democratic sole reign, 10 years of NPD in the state parliament, the Alternative for Germany opening new voting blocks, Pegida in the streets plus the rightwing terror against refugees and their supporters — these are the current conditions in Saxony. We need to organize against this! In Dresden, Saxony, but beyond as well.

Recently, the call for strong, sovereign nations gets louder and louder, not only from the rightwing. Even leftists demand the nationalist roll back. At the same time the national state as guarantor for limited wealth has long been obsolete because of the developments of global neoliberal capitalism (shown by all the attempts to go back to fordist capitalism). Furthermore, the nationalist „left“ keeps ignoring the fact that the nation is a construct of domination and exclusion, always trying to pass its cost onto others, mostly peripheral states. Because we stand against any nationalism, we need to fight transnationally. Therefore one must learn from past mistakes. Global solidarity and activism cannot be designed on the drawing table, but can only prosper in the form of continuous exchange and reflected practice. We can try and make this happen with the antiauthoritarian platform „Beyond Europe“.

We have decided to found a federation, because a simple strategy of „against Nazis“ is no sufficient answer to the conditions in Dresden: economic, political and social causes of the current regressive wave must not be factored out. We want to bring together the contentual and practical main points of our local groups; we want to level our criticism against the dominant conditions together, show solidary alternatives and get them off the ground.

Cold country must not turn eternity! critique’n’act — for a beautiful life in a solidary society!