Wir wollen in einer solidarischen Stadt leben – unser Redebeitrag auf der „Mietenwahnsinn“-Kundgebung am 6. April

 

Wie wollen wir wohnen? Wir wollen wohnen, wo wir gerne leben, wo unsere Freund*innen wohnen, wo die Kinder in die Kita und die Schule gehen, wo wir arbeiten, wo wir uns begegnen können. Wo wir uns im Grünen erholen können. Wo die Luft atembar bleibt, statt in Abgasen zu ersticken. Wo es Möglichkeiten gibt sich im Sommer abzukühlen. Wo wir Vielfalt erleben, nicht nur Gleichgesinnte mit ähnlichem Kontostand. Wir wollen unser Wohnumfeld unseren Bedürfnissen anpassen. In eine größere Wohnung ziehen wenn wir Wohngemeinschaften oder Familien gründen. Die Wohnung wieder aufgeben, wenn unsere Kinder alt genug sind, um auf eigenen Füßen zu stehen oder wir uns auseinander gelebt haben. Wir wollen eine solidarische Stadt, die sich an den Bedürfnissen der in ihr lebenden Menschen orientiert.

Das klingt nach schöner Utopie und hat wenig mit der Lebenswirklichkeit der Meisten zu tun. Die Mieten in Dresden steigen seit Jahren steil an. Wer jetzt in einer zu großen Wohnung lebt, wird nicht umziehen, um dann mehr Miete für weniger Quadratmeter zu zahlen. Wohnen ist derzeit nicht an den Bedürfnissen der Wohnenden orientiert, sondern daran wieviel Rendite sich damit machen lässt. Wer sich kein Wohneigentum leisten kann, gerät mehr und mehr unter Druck und wird ins Abseits gedrängt. Die anderen bleiben an ihre Wohnung gekettet. Der Markt wird das ganz offenbar nicht richten. Ganz im Gegenteil: Investoren jammern in der Dresdner Lokalpresse: Sie könnten nicht mehr ausreichend Rendite erwirtschaften, sollten sie für Fördergelder mehr Sozialwohnungen anbieten müssen. Die Grundstücks- und Immobilienpreise sind steil gestiegen. Handwerker und Baufirmen sind rar. Es wird soviel gebaut wie lange nicht mehr. Das treibt die Kosten nach oben. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 gibt es eine gnadenlose Konkurrenz auf der Suche nach soliden Anlagemöglichkeiten im Wohnungsmarkt. Und in Dresden ist seit 2006 faktisch alles Wohnungsmarkt, also ist alles dieser Konkurrenz unterworfen.

Es gibt keinen marktförmigen Ausweg.

Um den Bedürfnissen der Menschen dieser Stadt zu ihrem Recht zu verhelfen und soziales Handeln zu ermöglichen, müssen Immobilien dem Markt entzogen werden. Ansätze dafür sind die Gründung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die Initiative einer sozialen, nicht-kommunalen Wohnungsgenossenschaft oder Projekte im Verbund des Mietshäusersyndikats. Das Problem: die Preise auf dem aufgeheizten Markt sind derart hoch, dass Aufkäufe in nennenswerter Größenordnung einfach unrealistisch sind.

In Berlin, das mit ähnlichen Problemen kämpft, wird darum jetzt die Enteignung großer und börsennotierter Wohnungsunternehmen diskutiert. Die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ will den ehemals öffentlichen Wohnungsbestand wieder zurück in Gemeineigentum überführen. Und damit Wohnen als Grundbedürfnis garantieren. Eine Bedrohung der Wohnung ist eine Bedrohung der Menschenwürde. Eine Bedrohung der Wohnung ist eine Bedrohung der menschlichen Entwicklung, der Teilhabe, der Familie, eine Bedrohung gegen das Leben selbst. Nur ein Leben ohne andauernde Existenzangst kann menschenwürdig sein. Die Enteignung von Wohnungsunternehmen soll der Artikel 15 des Grundgesetzes möglich machen. Der Artikel 15 besagt, dass Grund und Boden – und alle Aufbauten zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz in Gemeineigentum überführt werden kann. Ein Rechtsgutachten der Berliner Innenverwaltung hat gezeigt, dass Enteignung rechtlich zulässig ist. Die Entschädigung kann sogar unter dem Verkehrswert liegen. Für einen Volksentscheid startet heute auf der Mietenwahnsinn-Demonstration in Berlin die Unterschriftensammlung.

Gibt es also doch einen Ausweg? Auch in Dresden wäre die Vergesellschaftung von Vonovia Immobilien möglich. Und es wäre mehr als gerecht. Die Menschen die hier seit Jahrzehnten leben, arbeiten und ihre Miete zahlen, haben Bau, Instandhaltung und Modernisierungen erwirtschaftet und längst abbezahlt. Für den Treuhand Ausverkauf, die kommunale Verschuldung und letztlich den Woba-Verkauf werden sie jenseits individueller Verantwortung bestraft. Oder etwas polemisch zugespitzt: Nicht das Geld arbeitet für sich. Vonovias Rendite wird von alten Leuten in Form von Flaschenpfand gesammelt, die sich jenseits ihrer Plattenwohnung sonst kaum was leisten können.

Und deshalb: Vonovia enteignen! Die Stadt gehört uns allen!