Sachsen, du mieses Stück Kaltland! 2

Unser Redebeitrag auf der Demonstration Heute die Pogrome von morgen verhindern – Schutz für Geflüchtete statt Verständnis für Rassist*innen! am 29. August 2015 in Dresden

english version below!

In den letzten Wochen und Monaten gibt es medial kaum noch ein anderes Thema als die so genannte „Flüchtlingskrise“. Bilder von Zeltlagern und wütenden Bürger*innen suggerieren Flüchtlingswellen, die vermeintlich die Gesellschaft überfordern. Rassistische Vorstellungen von den Geflüchteten werden zementiert durch Bilder von Lagern, in denen unmenschliche Bedingungen herrschen. In der aktuellen Situation der vollständigen Durchkapitalisierung allen Seins werden die geflüchteten Menschen auf die Höhe der Kosten reduziert, die sie verursachen. So würden sie scheinbar zu einer Gefahr für den Sparweltmeister Deutschland – dabei ist doch viel wesentlicher, dass sie am Leben sind!

Zum eigentlichen Thema wird nicht die globale Krise von Ökonomie und Ökologie gemacht. Stattdessen wird die Versorgung der wenigen Geflüchteten, die es hierher schaffen, zur Krise konstruiert. Diese so genannte „Flüchtlingskrise“ findet in einem Deutschland der schwarzen Null statt. Die deutsche Regierung brüstet sich, hauszuhalten, zu sparen und ihre Finanzen im Griff zu haben. Sie zwingt andere Staaten in der Europäischen Union zum neoliberalen Sparterror, der über Leichen geht. Widerstand gegen die Austeritätspolitik wird mit der vollständigen Unterwerfung unter den deutschen Hegemon gerächt, siehe Griechenland. In diesem besagten reichen Spar-Deutschland bleibt es aber offenbar persönlichem Engagement von antirassistischen Aktivist_innen überlassen, dass Geflüchtete eine Grundversorgung, Willkommensgesten und sofortige Solidarität wegen Übergriffen erhalten. Es ist das allerletzte, dass die Landesregierung Sachsens nicht willens ist, für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen zu sorgen und ihre körperliche Unversehrtheit zu garantieren.

Nach jahrelangen Sparexzessen versuchen dauerklamme Kommunen, die mehr und mehr Asylsuchende unterbringen müssen, nun erstmals an der schwarzen Null zu rütteln. Nicht etwa fehlende Sozialwohnungen und Kitaplätze sowie bröckelnde Infrastruktur waren bisher Grund genug, um von der ideologischen Maxime der deutschen Sparpolitik abzurücken. Nach der Verschleuderung des kommunalen [und sächsischen] Eigentums entsteht nun der Eindruck, dass die sächsische Landesregierung staatliche Aufgaben nicht mehr ausüben kann, weil sie die dafür notwendigen Mittel bzw. Unterkünfte nicht zur Verfügung habe. Dafür müssen jetzt die Geflüchteten herhalten. Sie werden zu Sündenböcken für weitere Neuverschuldungen gemacht. Damit erscheint die sogenannte Flüchtlingskrise umso gewaltiger. Dabei ist klar: In Sachsen und Dresden gibt es mehr als genug Leerstand. Die Ankunft der vielen Geflüchteten war lange bekannt. Sie brauchen gutes, sicheres und gesundes Wohnen statt Zeltlager und Container!

Mob und Politik – Herz an Herz

Der wütende Protest der deutschen Mitte gegen ankommende Flüchtlinge verstößt dabei nicht nur gegen grundlegende Menschlichkeit, sondern hat gerade beim Exportweltmeister Deutschland eine weitere Dimension: Deutschland hat im ersten Halbjahr 2015 genauso viele Waffen exportiert wie im gesamten Jahr 2014. Deutschland ist damit ganz direkt für die kriegerische Destabilisierung genau der Regionen verantwortlich, aus denen nun Tausende Menschen hierher fliehen müssen. Und wer hat diese massiven Waffenexporte zu verantworten? Kein anderer als der SPD-Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel ist verantwortlich für ihre Genehmigung. Und ausgerechnet die Sozialdemokrat_innen schwingen sich nun als Vertreter_innen deutscher Willkommenskultur auf?

Die Reaktionen der politischen Eliten auf die Hasstiraden von Nazis in Heidenau und anderswo sind an Zynismus und Verlogenheit kaum zu überbieten. Gabriel bezeichnete den Mob mit nationalsozialistischem Vokabular als „undeutsch“ und sagte: „Bei uns nennen wir sowas Pack.“ Ganz anders klang das vor einem halben Jahr. Als erster hochrangiger Politiker traf sich Gabriel mit Anhängern von Pegida, um diese „ernst zu nehmen“: Und er gestand ihnen das Recht zu, „rechts oder deutschnational zu sein!“ Politiker_innen bundesweit aber vor allem aus Sachsen haben das letzte Jahr damit verbracht, den Sorgen und Ängsten von Rassist_innen zu huldigen, oder diese durch die Rhetorik eines überforderten Sozialsystems noch weiter zu schüren.

Dabei gibt es in der Bundesrepublik ohnehin nur traurige Überreste eines Menschenrechts auf Asyl. Schon vor 10 Jahren – direkt nach Amtsantritt der Großen Koalition – wurde das Schengen-III-Abkommen beschlossen. Mit umfangreichem europaweiten Datenaustausch sollte illegalisierte Migration noch besser bekämpft werden. Es wurden zusätzlich dazu Gesetze verabschiedet, die das Leben von Geflüchteten noch weiter verschlechtern. Das Deutschland der schwarzen Null entledigt sich in unsolidarischer Weise seiner Asylsuchenden an den „Rest“ Europas durch die Dublin-II-Verordnung. Um noch schneller abschieben zu können, werden Herkunftsstaaten von Geflüchteten als „sicher“ imaginiert. Mithilfe jahrelanger Fehlplanungen beim ungeliebten Thema „Asyl“ inszeniert Sachsen nun einen Flüchtlings-Notstand. Die Schuld daran wird noch den Refugees angehängt, wenn behauptet wird, Armutsflüchtlinge würden das Asylrecht missbrauchen.

In der Hetze gegen sogenannte Armutsflüchtlinge kommen Rassismus und Sozialchauvinismus am deutlichsten zusammen: Bürger_innen und Arbeiter_innen protestieren nicht gegen Austeritätspolitik, Kürzungen, Wettbewerbszwang. Sie fordern nicht Sozialpolitik ein oder das Ende des Spardiktats. Hemmungslos neidisch und empathielos projizieren sie ihre Abstiegsängste auf Menschen, die ihnen fremd sind.Der Hass auf sogenannte Armutsflüchtlinge und die Abschottung gegen sie ist die Reaktion des autoritären Charakters auf die Unsicherheit in der Krise. Denn die heimische Stabilität ist fragil. Der eigene Abstieg scheint jederzeit möglich.

Angesichts des wütenden Mobs in Sachsen höhlen sächsische und Bundespolitiker_innen das Asylrecht weiter aus: Der Vorschlag, Sonderabschiebelager für Rom_nija und andere Geflüchtete aus dem Balkan einzurichten, ist der neue Gipfel rassistischer und antisozialer Flüchtlingspolitik! Dabei ist klar: Kapitalismus ist ein Grund zum Flüchten! Alle Menschen haben ein Anrecht auf ein gutes Leben!

Wir fordern:

Den Kapitalismus auflaufen lassen! Schluss mit Sparzwang und Schuldenbremse! Stop von Rüstungsausgaben, Geld her für ein menschenwürdiges Leben!

Geflüchtete sind Menschen und kein Kostenfaktor!

Die Grundversorgung von Geflüchteten muß wieder staatliche Aufgabe werden. Mehr Freizeit für Refugee-Supporter_innen!

Abschaffung des Lagersystems und menschenwürdige Unterbringung aller Geflüchteten!

Schutz aller Geflüchteten vor rassistischer Gewalt! Klare Grenzen für Nazitäter_innen, Rassist_innen und andere Volkspfosten! Rechte und rassistische CDU-Politiker_innen und Polizist_innen fristlos entlassen!

Sofortiges Recht auf Arbeit und Bildung für Geflüchtete! Und weg mit der sozialdarwinistischen Unterscheidung zwischen Fachkräften und den so genannten Überflüssigen! – Alle bleiben! Kein Mensch ist illegal!

Abschaffung der undurchsichtigen und rassistischen Asylbürokratie – sofortiges unwiderrufliches Bleiberecht und Bürgerrechte für Alle! Wahlrecht und politische Partizipation für Geflüchtete und Migrierte!

Sofortigen Abschiebestop! Aufhebung aller Gesetze, die Geflüchtete kriminalisieren!

Schluss mit Lippenbekenntnissen von Gabriel, Merkel und Co. – Ihr habt doch so fleißig gespart, also Knete her für gute Unterbringung!

Statt Frontex staatlich finanzierte Fluchthilfe aus Krisengebieten und Fähren über das Mittelmeer! Öffnung der europäischen Grenzen, internationale Bewegungsfreiheit für Alle, Freedom of Movement!

English version:

Saxony, you rotten part of cold country!

During the past weeks and months there is hardly anything besides the so called refugee crisis in the media. Pictures of tent towns and furious citizens suggest waves of refugees that supposedly overstrain the society. Besides, pictures of camps under inhuman conditions support the racist perception of the refugees. In the current situation of the complete capitalization of every existence, refugees are reduced to the costs they produce. Thus, they seemingly endanger the German world champion of scrimping. However, the only fact that truly matters is: they are alive!

The actual global economic and ecological crisis is not put on the agenda. Instead, the support of the few refugees, who make it here at all, is constructed into a crisis. This so-called refugee crisis is taking place in a Germany operating in the black. The German government brags about economizing, saving and controlling its finances. It forces other states of the European Union into cutting terror stopping at nothing. Resistance against the politics auf austerity are to be revenged with the complete submission under the German hegemon (see Greece). However, in this said rich Germany of economizing it is left for some anti-racist activists that refugees receive at least some basic care, welcome greetings and immediate solidarity because of attacks. It truly takes the biscuit that the Saxon Government is unwilling to take care of a human accommodation of refugees in appartment and to ensure their physical integrity.

After years of excessive saving, permanently low running municipalities having to accommodate more and more refugees now start challenging the black figures for the first time. Missing social housing or day care places as well as crumbling infrastructure were not reason enough to back away from the ideological maxime of German politics of economizing. After squandering the communal and Saxon property it appears that the Saxon government is not even capable of fulfilling public tasks, because it is lacking the means/housing. Now the refugees have to serve for this. They are scapegoats for new debts. Thereby the refugee crisis appears even mightier. And yet it is clear: There is more than enough vacancy in Dresden and Saxony. The arrival of a lot of refugees was well known. They need good, safe and healthy living instead of tent camps and containers!

Mob and Politics — from heart to heart

The angry protest of the German political center against the arriving refugees does not only contravene any basic form of humanity, but it has a specific dimension in the context of Germany, the world champion of exports: Germany exported as many weapons in the first half of 2015 as it did in the whole past year. In doing so, Germany is directly responsible for the militant destabilization of exactly those regions, where thousands of people have to flee from now. And how is responsible for these massive exports of weapons? No other than the social democratic minster of economics and vice chancellor Sigmar Gabriel. And now, the social democrats of all people act as the agents of German welcoming culture?

The reaction of the political elites to the Nazis’ and racists’ torrents of hate in Heidenau and other places are not to be topped regarding their cynicism and phoniness. Gabriel called the mob with national socialist vocabulary as „un-German“ and said: „Back at home we call this vermin.“ This sounded very differently half a year ago. The first high-level politician, Gabriel met supporters of PEGIDA to „take them seriously“. And he acknowledged their right „to be right or German National!“ Politicians from all over the country and most certainly from Saxony have spent the last year worshipping the racists’ worries and fears or fueling them by their rhetoric of an overwhelmed social system.

Yet still there exist only sad leftovers of the human right of asylum in the Federal Republic. Already ten years ago the Schengen III Agreement was passed. Illegalized migration was to be fought even more effective through extensive, europe-wide data communication. Additionally, laws were passed to worsen the lives of refugees even more. In an unsolidary manner, the Germany of black figures gets rid of its refugees to the rest of Europe by the use of the Dublin Regulation. To be able to deport even faster, refugees’ home countries are declared as safe. And by using yearlong mismanagement, Saxony enacts some refugee state of emergency. Even this is pinned on the refugees by arguing, refugees of poverty would abuse the right of asylum.

Racism and social chauvinism meet most clearly in the hate speech against so-called refugees of poverty: middle-class and workers both are not protesting politics of austerity, cuttings and forced competition. They are not demanding more social politics or the end of the diktat of economizing. Free from scruples, jealoous and without any empathy they project their fear of social decline on alleged strangers. With hatred towards and the isolation of so-called refugees of poverty the authoritarian character reacts to the insecurity in the crisis. For the homey stability is fragile. Social decline seems possible at any time.

Now the pictures of the raging mob is used by politicians in Saxony and throughout Germany to undermine the right of asylum even more: the purposed special deportation camps for Roma and other refugees from the Balkans is the new peak of racist and anti-social refugee politics. And it is indeed obvious: capitalism is a reason to flee! Everyone has the right to a good life!

We demand:
Give capitalism the runaround! End forced economization and debt limits! Stop defense spending, hand out money for a human life!
Refugees are people and not cost factors!

The basic care of refugees must be the duty of the state. Leisure time for refugee supporters!

End the camp system! Human and good housing for all refugees!

Protect the refugees from racist violence! Set clear boundaries for Nazi perpetrators, racists and all the other assholes! Get rid of racist politicians and police!

Immediate right to work and education for refugees! And end this social darwinist distinction into professionals and the so-called redundants! Everyone must stay! No one is illegal!

End the racist and complicated bureaucracy of asylum. We want the immediate and irreversible right to stay and civil rights for everyone. Right to vote and political participation for refugees and migrants!

Stop deportation immediately! Stop the criminalization of refugees!

Cut the lip service and start paying! Germany, you have been saving so hard, so hand out the damn money for good accomodation!

Refugee support instead of Frontex! Ferries over the Mediterranean! Open the European Borders, Freedom of Movement for everybody!